ArtCatalyse International Ausstellungen

Aktuelle Ausschtellungen

Presstext


Wie sieht das Anthropozän aus der Nähe aus? Wie schlägt sich der globale ökologische Wandel in der Lebenswirklichkeit nieder?


Für diese abschließende Phase der Rivermap-Atmosphäre im Künstlerhaus Stuttgart beginnen Jeremy Bolen und Brian Holmes mit einer unsichtbaren Markierung: verbleibende Strahlung an einem Ort namens Site A in Red Gate Woods am Rande von Chicago, Illinois, wo Wissenschaftler des Manhattan-Projekts während des Zweiten Weltkriegs heimlich den ersten Atommeiler der Welt betrieben. Hier und an anderen Atommülldeponien in der Gegend vergrub Bolen Farbfilme in der Erde, die er anschließend ausgrub und entwickelte und so die materiellen Spuren eines Wendepunkts in der Erdgeschichte sichtbar machte.





























Earth Time

Künstlerhaus Stuttgart (Deutschland)

25.01 - 22.03.2025

Précédent Suivant

Français
English

Im Ausstellungsraum sind diese belichteten Filmstreifen zu einer Reihe von psychedelischen Bannern geworden, die sich aus frischer Erde erheben und ein unheimliches Labyrinth bilden, in das zwei umfangreiche Projekte eingebettet sind. Das erste trägt den Titel Born Secret (Cash for Kryptonite) und wird auf einer Reihe von Monitoren gezeigt, die zwischen den angestrahlten Bannern platziert sind. Dieser Videoessay aus dem Jahr 2019 reicht von Illinois bis zu zwei Atomwaffenproduktionsstätten in nahegelegenen Bundesstaaten: der Paducah Gaseous Diffusion Plant in Kentucky und dem Oak Ridge Laboratory in Tennessee. Indem sie die ökologischen Grundlagen dieser Industrieprojekte untersuchen, verweben die Künstler die nukleare Erzählung mit einem umfassenden Prozess territorialer Veränderungen, der auf Flussbau, Wasserkraft und dem modernistischen Versprechen von Strom im Überfluss beruht. Durch die Aufdeckung der soziopolitischen Komponenten des faustischen Handels, bei dem wissenschaftliches Wissen gegen weltgestaltende Macht eingetauscht wird, verleiht das Video dem, was Holmes als „anthropozäne Produktionsweise“ bezeichnet, eine greifbare Form.

 

Die Frage, die sich durch diese Arbeiten zieht, ist grundlegend: Was für eine Welt schafft die industrialisierte Menschheit? Bolen und Holmes haben Born Secret im Rahmen des kontinentalen Projekts Mississippi: An Anthropocene River produziert, das 2019 vom HKW und dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte organisiert wurde. Anschließend kehrten sie an den unteren Mississippi zurück, um eine historische Genealogie zu erforschen, in der die Beherrschung der Natur durch europäische Siedler unwiderruflich mit der Beherrschung von anderen Menschen verwoben ist. Das Video If This River Could Move (2022) beginnt an einer Schlüsselstelle des Flussbaus namens Old River Control, die sich direkt auf der anderen Seite des Mississippi in der Nähe der ehemaligen Angola-Plantage befindet, die später zu einem Strafgefangenenlager wurde und heute das Louisiana State Penitentiary ist. Die Kamera bewegt sich dann flussabwärts, durch den petrochemischen Korridor von Cancer Alley und die von Überschwemmungen heimgesuchte Stadt New Orleans, um in den sturmumtosten Umgebungen des Bird’s Foot Delta zu enden, wo sich der große Fluss schließlich ins Meer ergießt.

 

Wie in den vorangegangenen Phasen dieser Atmosphäre begleiten eine Landkarte auf einem Touchscreen und ein Rechercheheft die Videoarbeit sowie eine Reihe von Outtakes, die sich auf die erste Tiefseebohrplattform der Welt, „Mr. Charlie“, konzentrieren, die auf Miniaturbildschirmen unter einem Becken mit Mineralöl gezeigt werden. Ein entscheidendes Schlusselement wurde jedoch noch hinzugefügt und ersetzt das Wandbild der Bioregion Cascadia, mit dem die Atmosphäre eröffnet wurde. Dieses abschließende Element ist eine projizierte Karte des Neckar-Einzugsgebiets, in dem Stuttgart liegt. Die mit hochdetaillierten Lidar-Renderings erstellte Karte zeigt die außergewöhnliche Auenlandschaft, in die sich die menschliche Besiedlung dieser Region eingebettet hat, geschützt durch ausgeklügelte Deichsysteme, die unter den klimatischen Bedingungen der vergangenen Jahrhunderte errichtet wurden. Wie wird diese besondere Topografie mit den atmosphärischen Turbulenzen des Anthropozäns interagieren? Was sind die Lehren aus den Überschwemmungen, die mit Sicherheit auf diese Region zukommen werden?

 

Für die industrialisierte Menschheit ist es längst an der Zeit, etwas Neues über die planetarischen Zyklen zu lernen, die uns erhalten. Wo auch immer Sie leben, in der Stadt oder auf dem Land, auf dem Berg oder im Tal, Earth Time ist Ihre Zeit.


Jeremy Bolen and Brian Holmes, If This River Could Move (still), 2022.

Jeremy Bolen and Brian Holmes, If This River Could Move (still), 2022.

Ausstellung 25 Januar - 22. March 2025.   Künstlerhaus Stuttgart, Reuchlinstraße 4b - 70178 Stuttgart (Germany). T +49 711 617652.  Öffnungszeite: sa-so14:00 - sa-so 11:00 - 18:00.








 





 



























 





 











Earth Time, Künstlerhaus Stuttgart (Deutschland)

© ArtCatalyse International / Marika Prévosto 2024. Alle Rechte vorbehalten