Presstext
In Anbetracht der planetarischen Krise ist die Vermüllung des Planeten – neben dem Klimawandel und dem Artensterben – erneut ins Zentrum künstlerischer Praktiken gerückt. Die Gruppenausstellung Territories of Waste im Museum Tinguely stellt diese Positionen zeitgenössischer Kunst in den Mittelpunkt und fragt danach, auf welchen Gebieten sich die Auseinandersetzung mit dem Übrigen heute manifestiert, um damit zugleich einen neuen Blick zurück auf die Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu werfen. Die Gruppenausstellung versteht sich als eine Anhäufung oder Ansammlung vieler Stimmen, die das dynamisch Vermischte des Mülls auch als strukturierenden Begriff ernst nimmt. Die sich im Raum ausbreitende Ausstellungslandschaft lässt sich sechs zentralen Themenbereichen zuordnen, die sie wie ein Netz durchziehen.
Museum Tinguely, Basel (Schweiz)
14.09.2022 -
Schon in den 1960er Jahren haben die Künstlerinnen und Künstler des Nouveau Réalisme und der Junk Art (darunter auch Jean Tinguely) den fundamentalen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel vom Mangel zur Konsum-
Heute wird in den zeitgenössischen Diskursen und ästhetischen Praktiken nach den versteckten und verdrängten ökologischen, geologischen und globalen Bedingungen unseres Konsums gefragt. So hat die Thematisierung der unsichtbaren Mikrodimension des Mülls in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die erdumspannende Omnipräsenz dieser Form von Abfall in Luft, Erde, Wasser, Eis und Lebewesen – und das auch in von Menschen nie betretenen Gebieten – hat nachhaltig die Vorstellung von Natur revidiert. Gegenwärtig widmen sich Künstler:innen insbesondere auch verstärkt der territorialen Verschiebungen von Waste entlang kolonialer Geografien. Zusammen mit den globalen werden die geologischen Aspekte in den Vordergrund gerückt. Zentral für diese «geosphärische» Bedeutung ist die Reflexion über die ökologischen Dimensionen von Rohstoffgewinnung insbesondere im Bergbau.
Behandelt werden die territoriale Verschiebung von Waste entlang kolonialer Geografien, die den Export von Müll aber auch den Abraum der Rohstoffgewinnung in neo-
Abfallbeseitigung ist eine Industrie, die heute hochgradig automatisiert ist. Moderne Waste-
Weitere Arbeiten der Ausstellung beschäftigen sich mit der Verschmutzung von Luft und Wasser, den Ozeanen. Sie machen auch die auf den ersten Blick unsichtbare Mikrodimension des Übrigen sichtbar und verabschieden die noch immer vorherrschende romantische Vorstellung der unberührten Natur endgültig. Unser Waste durchzieht bereits die gesamte Ökosphäre.
Die Ausstellung überschreitet in einem weiteren Bereich auch die physischen und geologischen Territorien und lotet die Begriffe von Müll und Reinigung in der Sphäre des Digitalen aus. Was passiert mit Dateien, die wir in den «Papierkorb» verschieben. Es stellt sich heraus: Auch gelöschte Daten sind nicht einfach weg.
Mit den Begriffen von Kompost, Humus und gesellschaftliche Kohabitation werden die Potentiale des Übrigen als neue Denk-
Artists: Arman, Helène Aylon, Lothar Baumgarten, Anca Benera & Arnold Estefán, Joseph Beuys, Rudy Burckhardt, Carolina Caycedo, Revital Cohen & Tuur Van Balen, Julien Creuzet, Agnes Denes, Douglas Dunn, Julian Aaron Flavin, Nicolás García Uriburu, Hans Haacke, Eric Hattan, Eloise Hawser, Fabienne Hess, Barbara Klemm, Max Leiß, Diana Lelonek, Jean-
Die Ausstellung wird kuratiert von Dr. Sandra Beate Reimann.
Ausstellung 14.September 2022 -
Hira Nabi, «All That Perishes at the Edge of Land», 2019 (Filmstill); Film, Farbe, Ton, 30 min; Courtesy the artist © Hira Nabi
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