Recherchebasiert, thematisch hochaktuell und zukunftsorientiert – so lässt sich das eindrucksvolle Werk von Kapwani Kiwanga (*1978) beschreiben. Das Kunstmuseum Wolfsburg zeigt vom 16. September 2023 bis zum 7. Januar 2024 die erste umfassende Mid-Career-Retrospektive der kanadisch-französischen Künstlerin, die jüngst mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet wurde. Die raumgreifenden Werke Kapwani Kiwangas verbinden sich in der Ausstellung zu einer einmaligen ästhetischen, erkenntnisreichen und auch körperlichen Erfahrung.
Kapwani Kiwanga versteht es, visuell zu verführen und zugleich inhaltlich zu berühren. Sie nutzt die Wirkungsmacht von Farbe, Licht und Material, um globale Geschichte(n) aus neuen Perspektiven zu erzählen. Zarte Zierpflanzen bergen toxische Kraft, Farben entfalten manipulative Effekte und Licht wird als politisches Instrument entlarvt. Als studierte Anthropologin und vergleichende Religionswissenschaftlerin verfügt sie über den akademischen Hintergrund für ihre gesellschaftsanalytische Praxis. Mit ihren sogenanntenExit-Strategien, sucht sie nach einem Vokabular, um bestehende Strukturen und Machtverhältnisse von einem neuen Blickwinkel aus zu betrachten und diese in Zukunft anders zu denken. Ihre Installationen, Bilder, Skulpturen, Papierarbeiten, Fotografien, Sound- und Videoarbeiten sowie ihre performativen Vorträge enthalten somit eine historisch-politische Dimension, die sich erst auf den zweiten Blick erschließt. Kiwanga bricht den visuellen Genuss ihrer Arbeiten inhaltlich auf, verstärkt ihren Effekt und verleiht ihnen eine nachhaltige Wirkung. So rüttelt sie an den Grundmauern unserer kulturellen Sozialisierung. Sie verfeinert unser Gespür für „versteckte“ gesellschaftliche Mechanismen, strukturelle Ungerechtigkeiten und globale wie alltägliche Machtasymmetrien. Auf poetische Art und Weise vermisst und erweitert Kapwani Kiwanga unseren gesellschaftlichen Horizont.