Presstext
Die kalifornische Künstlerin Liz Larner deutet die Skulptur neu. Im Zentrum steht der Körper, die Anwesenheit und Abwesenheit und ein Denken über die Zeit. Ihr Werk verbindet etablierte und unorthodoxe Sichtweisen mit einer detaillierten Kenntnis von Geschichte, Form und Material. So ist die Begegnung mit Larners Kunst immer reichhaltig und komplex, sie ist manchmal widersprüchlich, aber allem transformativ. Es ist eine Begegnung, die über die Kunst und die Kunstgeschichte hinausgeht, die Schönheit mit einschliesst, aber auch Körpererfahrung, Emotionen und Eros, Kosmos und Humor.
11.06 -
«Das ist die Sache mit Skulptur: Du muss da sein und dann kannst du sie fühlen und erkennen, du begreifst sie physisch als ein verkörperter und eingebetteter Gegenstand. Das macht die Bildhauerei als Kunst aus, es geschieht im Moment, wo deine Sinne einsetzen, um ein Objekt im Raum einzuordnen und wo du, durch diese Auseinandersetzung, zu einem Verständnis gelangst […] Das Betrachten von Skulptur ist eine sehr aktive Form von Informationsaufnahme, es ist eine sehr freie Beschäftigung vergleichbar mit dem Drücken von Knöpfen auf einem Bildschirm, um über vorbestimmte Wege an Informationen zu gelangen. Allein schon wie jeder Mensch einer Skulptur begegnet, denn sie ist ja eben nicht flach, das Licht, das Wetter, die Temperatur und der Augenblick der Begegnung, das alles ist in ständigem Fluss. Die Skulptur muss körperlich umrundet werden und wird erst durch Bewegung wahrgenommen und verstanden.» *
Larners Kunst interessiert sich für die Transformation von Material durch Form, von Form durch Material und für die möglichen Wirkungen dieser Transformation. Hier ist ein formalistischer Ansatz am Werk, der sich an den Überzeugungen der Moderne orientiert. Gleichzeitig steht Larner letzteren jedoch kritisch gegenüber und sagt: «Die Menschen suchen noch immer nach Überlegenheit und Beherrschung. Ich würde gerne ohne beide weitermachen. Ich muss die Dinge akzeptieren. Anstelle von Entschlossenheit soll Überraschung und Akzeptanz treten, ich will eine Beziehung aufrechterhalten, wie die Dinge sind und wie ich sie gerne hätte bevor sie entstehen. Ich schwanke zwischen diesen beiden Haltungen hin und her.» *
Larners Kunst ist selbstkritisch und politisch, sie ist tief reflexiv und philosophisch. Die Künstlerin ist dem Experiment und dem Forschen verpflichtet, sie kennt und akzeptiert die Macht des Zufalls und setzt sich immer wieder verschiedensten Einflüssen, Vorgehensweisen und Überlegungen aus. Daraus ist seit Ende der 1980er Jahren ein Werk entstanden, welches jedoch nicht auf Wiedererkennungswert setzt. «Persönlich hatte ich nie das Bedürfnis, einen Stil zu haben, denn für mich war die Herangehensweise der Stil und nicht, wie etwas daherkommt.» *
Die umfassende Ausstellung below above in der Kunsthalle Zürich zeigt diese Vielfalt durch eine konzentrierte Auswahl von Arbeiten, die zwischen 1988 und 2022 entstanden sind. Dazu wird erstmals eine neue, raumgreifende, skulpturale Installation auf 500m2 gezeigt, die aus den zwei Elementen Meerschaum Drifts und Asteroids besteht. «Mit Skulptur einen unmöglichen, aber vertrauten Raum zu gestalten, das ist die Absicht für die Kunsthalle Zürich. Mal sehen, ob es gelingt. Es ist eine Vista, ein Ausblick, der sich in Objekte und Materialien verwandelt, die wiederum Bedeutung erhalten, aber nicht einfach nur als Kunst. Die Tonerde, die ich für die Asteroiden verwende, ist Teil der Erde und verkörpert hier den Weltraum; das Plastik ist aus fossilen Brennstoffen entstanden, es wird zum Alltagsgegenstand aus wiederverwertbarem oder nicht wiederverwertbarem Plastik, zu Spielsachen, Folien oder Plastiksäcke und Wegwerfartikel und nimmt hier schliesslich die Form von Meeresschaum an. Es ist eine Meereslandschaft, eine Landschaft oder eine Himmelslandschaft und erzeugt möglicherweise eine intensive körperliche und emotionale Erfahrung, hervorgerufen durch die Materialien.» *
In dieser Installation experimentiert Larner mit neuen Materialien, mit Recycling und möglichen Entwicklungen von apokalyptischem Ausmass. «Es geht um eine Katastrophe [die Zerstörung der Umwelt], die wir eigentlich abwenden können und doch scheinen wir nicht den Willen zu haben oder den nötigen Konsens anzustreben, um es zu tun: Eine weitere Katastrophe, die wir nicht im Griff haben.» *
*Liz Larner im Gespräch mit Daniel Baumann, veröffentlicht in: Liz Larner. below above, Kunsthalle Zürich 2022 (in der Ausstellung erhältlich für CHF 5.-
Liz Larner (*1960) lebt und arbeitet in Los Angeles. Sie hat an zahlreichen Ausstellungen teilgenommen. 2022 fand im New Yorker SculptureCenter sowie im The Walker Art Center in Minneapolis je eine Einzelausstellung statt, die in der amerikanischen Presse auf viel Echo stiessen.
Liz Larner, Hands, 1994. © Liz Larner. Courtesy of Regen Projects, Los Angeles.
Ausstellung 11.Juni -
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