Presstext
Was ist dem Menschen die Pflanze? Die Ausstellung Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen führt zurück ins frühe 20. Jahrhundert und fragt nach der Darstellung der Pflanze in der Bildenden Kunst, ihrer Betrachtung in der Botanik und Gesellschaft allgemein. Denn so nüchtern Topfpflanzen im Bild auf den ersten Blick aussehen mögen, so sachlich sich botanische Berichte lesen, erzählen sie immer auch von den Widersprüchen, Ängsten, Sehnsüchten und Ideologien der Moderne.
Museum Ludwig, Köln (Deutschland)
17.09.2022 -
Die Ausstellung widmet sich dem Thema mit rund 130 Exponaten in vier Kapiteln:
I. Die Pflanze als das Andere
Mit ihrem Lied vom kleinen grünen Kaktus besangen die Comedian Harmonists ein Gewächs, das zu Anfang des 20. Jahrhunderts außerordentlich populär war. „Gejagt“ wurden die Kakteen in den beiden Amerikas, um für den deutschen Markt weitergezüchtet und verkauft zu werden. Wie ein Großwildjäger ließ sich der Pflanzensammler Curt Backeberg in weißer Kleidung und mit Lasso im Arm neben einem meterhohen Kaktus porträtieren. Insofern waren die Zimmergärten, die gepflegt, besungen, fotografiert und gemalt wurden, koloniale Zimmergärten. Wer modern sein wollte, umgab sich zuhause mit Kakteen, Gummibäumen und anderen Pflanzen, die im Freien nur in wärmeren Klimazonen wuchsen, aber dank Kohleheizung und großer Fenster im privaten Innenraum zur Geltung gebracht werden konnten. Aenne Biermann fotografierte die Kakteen ihrer eigenen Sammlung, Albert Renger-
II. Die Pflanze als das Angeeignete
Im Blumenkleid zitierte auch die Neue Frau nach 1918 noch Flora, die Göttin der Blüte. In einer Zeit zunehmender „Geschlechterunordnung“, in der kurze Haare nicht länger die sexuelle Identität einer Frau markierten und Magnus Hirschfeld geschlechtsangleichende Operationen vornahm, blieb die Blume in der Mode präsent: August Sanders rauchende Garçonne Anneli Strohal trägt Blumen auf ihrem Kleid, so wie Lili Elbe schon vor ihren Operationen. Und Marlene Dietrich lässt dem Knopfloch ihres dunklen Anzugs eine überdimensionierte Blüte entspringen, einem Augenzwinkern gleich, denn die Angst vor der „Vermännlichung“ der modernen Frau war immer wieder formuliert worden. Die Aneignung von Blüten als passives Lockorgan im Dienste der Fortpflanzung findet sich in wohl rituellster Ausformung in Hochzeitsbildern, im Haar und in den Händen der Bräute. Auch unter der Kleidung, nämlich als Tattoo, entfaltete sich Florales, wie ein Blick auf die Tätowierkunst Christian Warlichs aus den 1920er Jahren zeigt.
III. Die Pflanze als Form und Farbe
Der Fotograf Karl Blossfeldt interessierte sich nicht für Pflanzen, deren Namen und Verwendung. Was ihn interessierte, war ihre Form, die er für die Fotografie – manchmal bis zur Unkenntlichkeit – zurechtstutzte, damit Kunstgewerbler*innen sie als Vorlage für ihre Entwürfe nutzen konnten. Auch in der professionellen Floristik diente die Pflanze als „Baustoff“. Andere, wie der Künstler Karl Schmidt-
IV. Die Pflanze als Verwandte
Nicht nur den Philosophen Walter Benjamin faszinierten die Fotografien von Pflanzen unter dem Mikroskop oder Aufnahmen im Zeitraffer. Die Kinos waren voll, als 1926 Das Blumenwunder das Pflanzendasein ganz neu vor Augen führte. Dabei lagen dem „Wunder“ Zeitraffer-
Künstler*innen: Hans Arp, Max Baur, Arthur Benda, Aenne Biermann, Karl Blossfeldt, Otto Dix, Alfred Eisenstaedt, Hugo Erfurth, Max Ernst, Otto Feldmann, Ernst Fuhrmann, Albert und Richard Theodor Gottheil, Erich Heckel, Heinrich Hoerle, Ernst Ludwig Kirchner, Werner Mantz, Franz Pichler jr., Anton Räderscheidt, Albert Renger-
Außerdem: Marta Astfalck-
Eco-
Die neue Sicht auf Pflanzen ist für das Museum Ludwig ein Pilotprojekt in nachhaltigem Ausstellen. Im Klimaschutzgesetz hat sich Deutschland dazu verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu handeln. Köln plant die Klimaneutralität bereits bis 2035. Auch Kultureinrichtungen wollen und müssen neue betriebsökologische Standards etablieren, besonders Museen, die mit Klimaanlagen, Beleuchtung, Reisen und Transporten zu den großen CO2-
Ausstellung 17 September 2022 -
Öffnungszeiten : Dienstag – Sonntag (inkl. Feiertage*): 10 – 18 Uhr
© ArtCatalyse International / Marika Prévosto 2022. Alle Rechte vorbehalten
View of Green Modernism: The New View of Plants, Museum Ludwig, Cologne, 2022. Photo: Leonie Braun